Den 24-stündigen Konsumverzicht gibt es seit 1992. Ins Leben gerufen wurde die Aktion wohl von einer kanadischen Werbeagentur. In Deutschland wird der Tag unter anderem vom Konsumnetz AG sowie dem Netzwerk Attac organisiert.
Unser Konsumverhalten hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert: Ehemalige Luxusgüter sind im Discounthandel zu verführerisch günstigen Preisen zu haben. Großbildfernseher, PCs oder Fahrräder sind bei Aldi und Lidl genauso ständig und beiläufig verfügbar wie Butter und Wurstwaren. Dank Online-Kaufhäusern vermiest uns kein lästiger Ladenschluss die Einkaufslaune. Rund um die Uhr empfängt einen die wohlige Wärme des flimmernden Computerbildschirms, wo in diversen Online-Shops die neuesten Taschen, Schuhe, Accessoires und Klamotten feilgeboten werden. Immer und überall. 24 Stunden am Tag Konsum. Wie mag es sein, 24 Stunden lang damit aufzuhören?
Nicht ganz zufällig markiert der letzte Samstag im November nicht nur den, leider wenig beachteten Kauf-Nix-Tag, sondern auch eines der ersten umsatzstarken Vorweihnachtswochenenden. In Nordamerika wurde der Kauf-Nix-Tag sogar auf den umsatzstärksten Tag des Jahres gelegt, den so genannten “Black Friday”. An diesem Tag locken alle Geschäfte mit satten Rabatten, was nicht selten zu erbitterten Kämpfen in den Läden und Servercrashs in Online-Shops führt. Da fällt den Kauf-Nix-Teilnehmern der Konsumverzicht natürlich besonders schwer. Daher lässt auch die Beteiligung meist zu wünschen übrig.
Dass ausgerechnet dieses Datum für den Tag des Konsumverzichts gewählt wurde, hat Sinn: Gerade die vorweihnachtliche Stimmung besteht nicht mehr aus Besinnlichkeit und Nächstenliebe sondern ist zu einer wahren Materialschlacht pervertiert. Statt mit den Liebsten um den Adventskranz zu sitzen und Glühwein zu schlürfen, stehen die meisten in ihren dicken Winterjacke schwitzend, bepackt mit materiellen Liebesbekundungen für Familie und Freunde, an der schier unendlich langen Kassenschlange im überheizten Kaufhaus.
Ein ganzer Tag ohne Einkaufen?
Doch was haben wir davon, uns einen schnöden Tag lang dem Konsum zu verweigern? Schiebt man damit seine Einkäufe nicht einfach nur auf? Das mag schon sein. Dennoch kann man auch versuchen, diesen Tag als Chance zu sehen, sich über sein eigenes Konsumverhalten Gedanken zu machen. Schon mal probiert, einen ganzen Tag lang nichts zu kaufen? Klingt einfach, ist es aber nicht. Keinen Coffee-to-go auf dem Weg zur Arbeit, kein U-Bahn Ticket, keine Nussschnecke zum Frühstück, kein Mittagessen in der Kantine, keine Einkäufe auf dem Heimweg, keine Pizza vom Bestellservice zum Abendessen, kein Bier in der Kneipe, kein Kino mit Freunden, kein nächtliches Shoppen im Internet.
Plötzlich wird man sich darüber klar, wie viel Zeug man eigentlich an einem einzigen Tag konsumiert, das irgendjemand vorher produziert haben muss. Konsum endet ja nicht am reinen Produkt. Hinzu kommen die Verpackung, die Infrastruktur, die Vertriebswege, die Werbung, die Ladeneinrichtung und so weiter und so fort.
Konsumverzicht ist eng mit Nachhaltigkeit verwoben. Einem Wort, das wie ein moralisches Damoklesschwert über unseren verwöhnten Köpfen hängt und uns daran erinnern soll, wie gut wir es haben und daran, dass es die Luft, die Ozonschicht, das Wasser und die Wälder sind, die die Zeche für unser Wohlbefinden zahlen.
Von Konsumenten und Produzenten
Wenn es um Nachhaltigkeit geht, gibt es noch andere Aspekte, die der Kauf-Nix-Tag anprangert. Und zwar die Produktions- und Handelsstrategien großer Konzerne und Finanzgruppen. Dass Menschen und Ressourcen dabei ausgebeutet werden, ist kein Geheimnis, wird aber nur allzu gerne im alltäglichen Leben vergessen, denn wer billig und aus einem großen Sortiment kaufen will, muss das in Kauf nehmen. Da bietet eine Aktion wie der Kauf-Nix-Tag doch die Gelegenheit, sich kritisch mit dem eigenen Konsumverhalten und Ressourcenverbrauch auseinandersetzen.
Mit welcher Strategie könnte man versuchen, die Konsequenzen dieses Zustandes abzumildern und nachhaltiger zu Leben? Man könnte zum Beispiel mehr Kleidung im Second-Hand-Laden kaufen und dafür seine alte Kleidung verkaufen. Die Sachen, die man nicht mehr tragen möchte sind nicht zwangsläufig abgenutzt oder kaputt. Meistens entsprechen sie einfach nicht mehr dem aktuellen Geschmack.
Warum neu produzieren wenn man die vorhandenen Dinge auch einfach tauschen kann? Weil Konsum die Wirtschaft ankurbelt? Produktion von Gütern bedarf nicht nur Arbeitskraft, sondern auch Rohstoffen, Energie und Wasser. Und diese Dinge werden nicht gebraucht, sondern verbraucht oder verschmutzt. Und wozu? Für Produkte, die häufig niemand benötigt, die aber den Markt überschwemmen und um dennoch Abnehmer zu finden, billig sein müssen. Die einzige Stellschraube, an der weiter und weiter nach unten gedreht werden kann, ist die Entlohnung für Arbeitskraft. Das Ergebnis sind viel zu viele, billig hergestellte Produkte, knapper werdende Ressourcen und immer mehr Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen. Konsum löst global keine Probleme solange dabei Ressourcen aufgebraucht werden und Menschen verarmen. Dann ist nämlich bald Schluss mit Konsum und einer funktionierenden Wirtschaft.
Ein besserer Umgang mit Lebensmitteln ist eine weitere Möglichkeit, bewusster und nachhaltiger mit Gütern und Ressourcen umzugehen. Ernährung ist mittlerweile mehr als bloß essen und trinken, um nicht zu verhungern oder zu verdursten. Es ist eher zu einem Lebensstil geworden. Wer gesund leben will, setzt auf Bio, wer ein bisschen Luxus haben will, auf Kaviar und Rinderfilet. Schlussendlich kann man sich aber überlegen, ob man Lebensmitteln den gleichen Stellwert wie jedem anderen beliebigen Konsumgut geben möchte. Oder ob man ein klein wenig Respekt vor denjenigen, die mühevoll Felder abernten, und vor den Tieren, die mit ihrem Leben für unser Salamibrötchen bezahlen, aufbringen möchte. Auch hier bietet der Kauf-Nix-Tag Gelegenheit, sich zweimal zu überlegen ob man die Spaghetti von gestern wegschmeißen möchte, nur weil man eher Lust auf Schnitzel mit Pommes hat.
Sich einen Tag lang dem Konsum verweigern, ist das die Lösung für den übermäßigen Konsum, den die Aktion anprangert? Natürlich nicht. Ziel des Kauf-Nix-Tages ist es auch nicht, die Welt auf einen Schlag in ein Utopia zu verwandeln, in dem Firmen und Produzenten fair, nachhaltig und human produzieren, niemand etwas wegschmeißt und auf der Welt keiner hungern muss. Es geht viel eher darum, sein eigenes Konsumverhalten zu überdenken und bewusster damit umzugehen.